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Sonntag, 18. April, 20 Uhr:
Monodrama mit Musik von Daniel Haw | Jüdisches Theater Schachar
Evangelische Kirche Blankenese, Eintritt: 7 Euro



DIE HÖLLE DER MÄDCHEN
das Mädchen-KZ Uckermark | Monodrama mit Musik von Daniel Haw


Sabine May in: "Die Hölle der Mädchen"
Die Hölle der Mädchen
1943 - Jugendkonzentrationslager Uckermark. Hier sitzt, mit vielen anderen jungen Mädchen aus Deutschland und den besetzten Gebieten Europas, Helene Weiland ein. Eine Denunziantin hat sie bei der Gestapo angezeigt. Der Verdacht der Rassenschande genügt, um sie auf unbestimmte Zeit in die "Hölle der Mädchen" zu verbannen. Helene überlebt: sie ist körperlich und geistig stark, denn sie verfügt über Glauben, Hoffnung und eine gesunde Portion Hass, der sie das Grauen ertragen lässt.

Sie beginnt, Briefe an ihre beste Freundin Elli zu schreiben, die sie jedoch nicht abschicken darf und unter einer losen Diele in ihrer Baracke versteckt. Diesen Briefen in Tagebuch-Form vertraut sie die Vorgeschichte ihrer Inhaftierung, die Erlebnisse im Lager und ihre veränderte Wahrnehmung des Deutschen Vaterlandes an.

Das Konzept der Mörder
Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erhebt im Dezember 1939 erstmals die Forderung nach speziellen Lagern für Zitat: "verwahrloste Jugendliche". In der Sitzung des Reichsverteidigungsrates vom 01.02.1940 beklagen Minister der unterschiedlichsten Fachgebiete, Staatssekretäre und hohe Beamte die kriegsbedingte "Verwilderung" der Jugend, die Zunahme jugendlichen Unfugs sowie ein Ansteigen der Jugendkriminalität. Sie fordern Gegenmaßnahmen.

Der "Reichsführer-SS" Himmler unterstützt die Forderung Heydrichs. Das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) in Berlin wird daraufhin beauftragt, "polizeiliche Jugendschutzlager" zu errichten. Polizei und SS haben damit ihr angestrebtes Ziel erreicht: Sie können auffällige und missliebige Mädchen und Jungen willkürlich inhaftieren. Die Haft wird durch bloße Verwaltungsanweisungen des RKPA scheinbar legitimiert, ein gerichtliches Urteil als nicht notwendig erachtet. Die Justizbehörden protestieren zunächst gegen das fehlende Mitspracherecht und erhalten nach jahrelangen Kompetenzstreitigkeiten lediglich die Möglichkeit, Jugendliche für die Haft in Moringen und Uckermark "vorzuschlagen". Auch die Hitler-Jugend und die Gestapo können nun Einweisungen veranlassen. Damit gibt sich die Justiz zufrieden. Sie ordnet sich dem Polizeistaat unter. Der Willkür von Polizei und SS sind damit Tür und Tor geöffnet.

Die Produktion
Es spielt: Sabine May
Regieassistenz: Barbara Gohlke-Paul
Regie & Musik: Daniel Haw

Zur Entstehung des Stückes
Als 1999 die Universität Hamburg mit der Bitte an mich herantrat, für eine Wanderausstellung zum Thema "Jugend-KZ Uckermark" einen dramatischen Text zu schreiben und in Szene zu setzen, der im Rahmen der "Wehrmachtsausstellung" aufgeführt werden sollte, sagte ich sofort zu. Der unheilvollen Verknüpfung von Jugend und Nationalsozialismus galt immer schon mein historisches und rein menschliches Interesse.

Mich beschäftigten die Fragen:
  1. War die deutsche Jugend mitverantwortlich für das Gedeihen der zwölfjährigen Schreckensherrschaft? Wessen moralischen Instrumentariums bedient man sich bei der Beurteilung? Und vor allem: Wer verfügt über das Recht, ein Urteil zu fällen?
  2. War die Verführbarkeit der Jugend unvermeidlich? Wenn ja: Weshalb existierte dann - teilweise- organisierter politischer Widerstand deutscher Jugendlicher?

  3. Wie entwickelte sich das Leben der verführten und verratenen Generation und wie das ihres verfolgten, gequälten Anteils nach 1945? Wie wurde mit den Traumata unterschiedlicher Art umgegangen? Gab es Trost seitens der deutschen Gesellschaft? Gab es Berührungspunkte der zerrissenen Generation?

  4. Warum hat die verführte und verratene HJ-Generation ihre Verführer und Verräter nach 945 nicht angeklagt, zumindest so vernehmlich, dass sich die deutsche Gesellschaft mit dieser Klage hätte auseinandersetzen müssen?
Konkrete Antworten werden wir nur von eben dieser Generation erhalten, solange sie noch lebt. Und selbst dies bedeutet keine Garantie: Bei meiner Recherche zu "Die Hölle der Mädchen" sprach ich mit älteren Damen, die teilweise mehrere Jahre im Jugend-KZ durchlitten hatten; die das Ende ihrer Kindheit und ihre Pubertät in einem Fegefeuer von Lebensangst, Terror, Zynismus, Ekel und Hoffnungslosigkeit hatten durchleben müssen.
Nicht eine von ihnen war dazu bereit oder fähig, mir Auskunft über den Höllenalltag im Lager Uckermark zu geben! Zu groß war der Schmerz, zu groß die Scham, als dass sie der wichtigen Aufgabe der historischen Zeugenschaft hätten nachkommen können. Deshalb geriet die Vorbereitung meines Monodramas "Die Hölle der Mädchen" zu einer mühseligen Detektivarbeit, die jedoch durch das Lob jener alten Damen, die nicht über ihr Inferno reden können, tausendfach belohnt wurde.

Daniel Haw


Über das Theater Schachar
Das Theater Schachar wurde 1998 gegründet. Es ist das erste professionelle jüdische Theater in Deutschland (nach dem Holocaust). Im Raum Norddeutschland ist das Theater Schachar das einzige jüdische Theater.

Daniel Haw, Gründer und Leiter des Theater Schachar, wurde 1958 in Hamburg geboren. Der Schauspieler, Autor und Regisseur gewann die Aufmerksamkeit von Publikum und Medien insbesondere durch seine Komödie "Waldo & Schmerl", die dem Piccolotheater 1998 einen künstlerischen und wirtschaftlichen Riesenerfolg bescherte. Seit seiner Gründung überzeugt das Theater Schachar mit seinem individuellen Konzept, das zahlreiche Uraufführungen, Eigenproduktionen und Gastspiele anerkannter jüdischer und nicht-jüdischer Künstler umfasst. Mit der deutschen Erstaufführung des Stücks "Adolf Eichmann - letzter Akt" (Originaltitel: "The Diary of Adolf Eichman") des amerikanischen Autors Tuvia Tenenbom unternahm das Theater Schachar 2001 in Kooperation mit dem Jewish Theater New York die spektakulärste Produktion seit seiner Gründung, die eine entsprechend hohe Medienresonanz verbuchen konnte.

Inzwischen ist das Theater Schachar weit über Hamburg hinaus bekannt. Dies zeigt auch die Einladung einiger seiner Produktionen nach Schleswig-Holstein, Bremen und Süddeutschland. Darüber hinaus bestehen Kontakte und Anfragen seitens internationaler Künstler, die aufgrund der restriktiven Gegebenheiten der derzeitigen Spielstätte leider vielfach abschlägig beantwortet werden mussten.

1. Das Schachar ist Symbol und Ort lebendiger jüdischer Kultur in Deutschland; es setzt ein Zeichen dafür, dass lebendige jüdische Kultur hier wieder existiert.
2. Das Schachar ist ein Forum für zeitgenössische jüdische Kultur.
3. Das Schachar sieht sich als ein Forum für jenes, was zerstört, vergessen, in seiner Entwicklung brutal abgewürgt und durch Mittelmäßiges "Völkisches" ersetzt wurde.
4. Das Schachar ist Forum für zeitgenössische israelische Kultur und Denken.


Theater Schachar: Das Selbstverständnis

Schachar - das hebräische Wort für Morgenröte - ist mehr als nur der optimistische Name eines jungen Theaters in Hamburg. Nomen est omen: "Schachar" symbolisiert den Neubeginn lebender und lebendiger jüdischer Kultur im Deutschland des 21. Jahrhunderts.

Mit seiner künstlerischen Konzeption steht das Theater Schachar im Kontext der europäischen Avantgarde. Es ist ein lebendiges Theater, das sein Interesse der politischen Gegenwart ebenso wie der Tradition und der Geschichte widmet - frei von musealer Stetl-Melancholie und sentimentaler Attitüde. So werden auch die Wandlungen der zeitgenössischen Bühnenkunst reflektiert und neue Wege dramatischer Darstellungsmöglichkeiten gesucht.

Seine gesellschaftliche Aufgabe sieht das Theater Schachar als kultureller Mittler zwischen jüdischer und nicht-jüdischer Welt, indem es seinem Publikum ein einzigartiges Forum der ungezwungenen Begegnung bietet, das in idealer Weise geeignet ist, Wertschätzung und gegenseitiges Verständnis zu fördern.

Das Theater Schachar produziert hauptsächlich Werke zeitgenössischer jüdischer Autoren oder Werke nicht-jüdischer Autoren, die das Selbstverständnis bzw. die soziale und politische Situation von Juden thematisieren oder diese Aspekte berühren. Zudem bietet es jüdischen Künstlern aus aller Welt ein internationales Podium.

Besonders großen Wert legt das Schachar auf die Förderung junger - auch nicht-jüdischer - Talente durch zahlreiche Debüts und Uraufführungen. Gerade ihnen soll das Theater Schachar eine Morgenröte sein!


Theater Schachar: Das künstlerische Konzept
Zwei Prämissen stehen für das Theater Schachar im Range von Direktiven:

1. Über aller Experimentierfreude und Freiheit künstlerischer Konzeption stehen die Verpflichtung gegenüber dem Autor und seinem Werk sowie die Wahrhaftigkeit der dramatischen Umsetzung.
2. Gemeinschaftssinn und Mitmenschlichkeit sind entscheidende Grundlagen im künstlerischen Kollektiv.

Das Theater Schachar berücksichtigt bei der Planung seiner Produktionen eine sich ergänzende Auswahl der verschiedenen Sparten: Neben Sprech- und Musiktheater finden Rezitationsabende, Autorenlesungen, Kleszmer-Konzerte und Chansonabende statt.

Der konzeptionelle Tenor des Schachar lässt sich am besten mit der wundervoll schlichten Lebensweisheit illustrieren: "Sey a mentsh!" Als augenzwinkernde Selbstironie und somit als angewandtes Korrektiv der eigenen Perspektive, hat sie Direktion und Ensemble seit Eröffnung des Theaters unschätzbare Dienste geleistet.

THEATER SCHACHAR im Internet: www.schachar.de