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"Orgelmusik im amerikanischen Exil"

Samstag, 8. Mai, 20.00 Uhr Evangelische Kirche | Eintritt 7 €

Arnold Schönberg Variations on a Rezitativ op. 40
Johann Sebastian Bach Passacaglia in c-moll
Ernst Krenek Sonate op. 92/1

Texte von und über die Komponisten

Orgel: Stefan Scharff | Texte: Klaus-Georg Poehls


Im Jahre 1941 beauftragte die Gray Company namhafte zeitgenössische Komponisten mit der Komposition von Orgelwerken, die in der "Contemporary Organ Series" veröffentlicht werden sollten. Sowohl die Variationen von Schönberg (1874-1951) als auch die Sonate von Krenek (1900-1991) sind auf diesen Auftrag hin entstanden.
Zur Zeit der Komposition lebten beide Komponisten im amerikanischen Exil: Schönberg emigrierte 1933 unter dem Zwang der Naziherrschaft, Krenek folgte ihm 1938.
Während Krenek sich auch später noch in verschiedenen Werken mit der Orgel auseinandergesetzt hat, blieben die Variationen op. 40 Schönbergs einziges Orgelwerk. Interessant ist es in diesem Zusammenhang, dass Schönberg, der Erfinder der Zwölftontechnik, zwar satztechnische Verfahren dieser Zwölftontechnik anwendet, andererseits sein Werk jedoch um das tonale Zentrum d-moll anlegt, ein Verfahren, dass den ursprünglichen Ideen der Zwölftontechnik entgegensteht. So bleibt Ernst Krenek das Verdienst, mit seiner Sonate op. 92 die erste Zwölftonkomposition für Orgel geschaffen zu haben.

Die Variationen Schönbergs sind über ein zwölftaktiges, einstimmiges Rezitativ komponiert, über das Berthold Tuerke schreibt: "Am Anfang des Rezitativs der Orgelvariationen aber folgt aus ihm ein Deklamieren, dass den Bogen von Schönbergs Wurzeln bis in die Gegenwart seine Exils spannt: Der Ton des Rezitativs kreist in der phraigischen Melodik, jene der jüdischen Musik. Und gerade ihren innigsten liturgischen Gesang lässt Schönberg hier anklingen: das Schema Yisroel." Schönberg krönt seinen Variationszyklus mit einer Fuge, in deren Höhepunkt das BACH-Motiv zitiert wird.
Peter Hirsch schreibt über die Orgelvariationen: "Die musikalische Nähe zur ‚Ode an Napoleon' rückt die Variationen in den Zusammenhang jener Stücke aus der amerikanischen Zeit, die ein Sich-Vergewissern von Tradition, der selbstbegründeten wie der musikgeschichtlichen, mit dem Protest gegen den Faschismus verbinden. Der dunkel-lastende Tonfall des Rezitativs gehört ebenso zur Situation des alten Schönberg im Exil wie die fast zwanghaft appellative Emphase am Ende der Fuge. Unter den Komponisten der Wiener Schule fiel es ihm, dem ältesten, zu, die Widersprüche zwischen Aufbruch und Tradition gleichsam am eigenen Leibe austragen zu müssen."

Die einsätzige Sonate Kreneks enthält in nuce die vier Satztypen der klassischen Sonate äußerst gerafft in einem nur 132 Takte umfassenden Satz. Durch die vom Komponisten so genannte "Dufay-Kadenz" werden die einzelnen Abschnitte voneinander abgesetzt.

Dass J.S. Bachs Passacaglia in diesen Programmzusammenhang integriert werden soll, wirkt zunächst sicher überraschend. Die ähnliche musikalische Anlage der Großform (Variationen über ein zunächst einstimmig vorgetragenes Thema und anschließende Fuge über dasselbe Thema) zu den Variationen von Schönberg und die Tatsache, dass Schönberg auf dem Höhepunkt der Fuge das BACH-Motiv zitiert, scheinen musikalisch Gründe genug zu sein, diese Programmzusammenstellung zu wagen.

Neben den Orgelwerken sollen in diesem Konzert Texte verlesen werden: eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Blankeneser Kantorei wird Texte von und über Schönberg und Krenek auswählen. Diese Texte sollen sowohl die Kompositionen als auch die Lebensschicksale der Komponisten beleuchten.