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Konzert
Sonntag, 2. Mai 2004 um 20 Uhr, Evangelische Kirche, Mühlenberger Weg 64
Eintritt 7 Euro


Bruckner   Mendelsohn-Bartholdy
Badings  Bach  Hummel und
Ludwig van Beethoven: C-dur-Messe


Anton Bruckner (1824 - 1896) Locus iste
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 - 1847)Jauchzet dem Herrn alle Welt
Henk Badings (1909 - 1987) Jubilate
Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) - aus dem Magnificat Sicut locutus est
Johann Nepomuk Hummel (1778 - 1837) Graduale
Ludwig van Beethoven (1770 - 1827) Messe C - dur, op. 86
Für Soli, Chor und Orchester Kyrie - Gloria - Credo - Sanctus - Benedictus - Agnus Dei

Ausführende:
Johanna Mohr, Sopran
Jasmin Ürer, Alt
Kolja Hosemann, Tenor
Yong-Ho Choi, Bass

Konzertchor Gymnasium Blankenese
Blankeneser Kammerorchester
Leitung: Dieter von Sachs


Ansprache Dr. Margret Johannsen
Lieber Herr von Sachs, liebe Musikerinnen und Musiker, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde! Im Namen der Kirchengemeinde Blankenese und des Vereins zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese begrüße ich Sie sehr herzlich zu dem ersten Konzert im Rahmenprogramm der Ausstellung „Viermal Leben. Jüdisches Schicksal in Blankenese“. Als wir letztes Jahr bei den ersten Überlegungen für das Rahmenprogramm davon hörten, dass Herr von Sachs für eine Konzertreise Beethovens Messe C-dur einstudierte, waren wir uns schnell einig: Dieses Werk möchten wir in unser Programm aufnehmen. Wir freuen uns, dass die Planungen des Konzertchors Gymnasium Blankenese und des Blankeneser Kammerorchesters mit den Planungen des Vereins auch zeitlich so harmonierten, dass wir heute in Blankenese noch vor dem Publikum in Florenz, Siena und San Gimignano das Programm der Italienreise hören dürfen.
Als Hauptstück hören wir heute Abend Beethovens Messe C-dur. Sie entstand 1807, in einer Zeit der Bedrängnis, der Belagerung Wiens durch Napoleon. Auf dem Spiel standen zu dieser Zeit auch die Ideale der Aufklärung und Humanität, die 18 Jahre zuvor ihren Ausdruck in der Pariser Erklärung der Menschenrechte ihren Ausdruck gefunden hatten. Dies war der normative Kontext, in dem die Emanzipation der Juden ihren Anfang nahm. Die Menschen, derer wir in unserer Ausstellung gedenken, haben den Preis dafür gezahlt, dass dieses große europäische Projekt des 19. Jahrhunderts gescheitert ist.
Und dabei unterschieden sich diese Menschen eigentlich in nichts von ihren glücklicheren Mitbürgern. Soweit Musik Teil ihres Lebens war, war Beethoven für diese Menschen ein unbezweifelter Bestandteil ihrer gelebten Kultur. Wir lesen im Programm, der Anfang der C-dur-Messe sei ungewöhnlich. Ungewöhnlich sei, dass die Männerstimmen allein einsetzen, ohne Vorbereitung oder Begleitung durch das Orchester. Die Anrufung des Herrn im Kyrie beginnt also in fast intimer Weise, deutbar als kompositorischer Ausdruck einer sehr persönlich empfundenen Gottesbeziehung Beethovens.
Die tiefe Religiösität Beethovens richtete sich auf Gott, nicht auf eine besondere Konfession, eine spezielle Kirche. Sie war damit von einer Art, die Verwandtes nicht trennte, sondern auf der Basis des Gemeinsamen verband. Herr von Sachs hat mir erläutert, dass sich dieses Ethos auch in der Messe, die wir heute hören werden, auffinden lässt. Die Komposition etabliert zwischen den Beteiligten eine Verständigungsebene, indem sie das Wortgut, z.B. im Dona Nobis Pacem, auf die verschiedenen Gruppen, hier auf das Orchester und den Chor, verteilt oder mit motivisch gebundenen Klangbändern die Stimmen eng verbindet. Diese Vorstellung, zwischen den verschiedenen Teilen des Ensembles eine textgebundene Zusammenarbeit zu etablieren, war musikgeschichtlich eine Innovation. Sie hat den Auftraggeber der Messe, Fürst Esterházy, vielleicht überfordert. Wir dürfen uns darauf freuen. Wir dürfen auch applaudieren. Ich darf Sie aber bitten, in der Beethoven-Messe zwischen den einzelnen Teilen der Messe nicht zu klatschen.


Ludwig van Beethoven : C - dur -Messe
Prinz Nikolaus Esterházy betraute 1807 Beethoven mit der Aufgabe, eine Messe zum Namenstag seiner Frau zu komponieren, nachdem Josef Haydn schon zu wiederholten Malen Messen zu diesem Anlass geschrieben hatte.
Der Auftrag traf in eine Zeit reichen Schaffens Beethovens. Nach der Fertigstellung der Oper "Fidelio", der 5. und 6. Symphonien und anderer umfangreicher Instrumentalwerke widmete sich Beethoven der Komposition seiner ersten Messe mit der ihm eigenen Intensität.
In dem Vorwort des Klavierauszugs (Edition Breitkopf 1414) schreibt C. Reinecke:
"Die 1808 in einem Brief an Breitkopf & Härtel geäußerte Selbsteinschätzung des Werks - ´´Von meiner Messe glaube ich, dass ich den Text behandelt habe wie er noch wenig behandelt worden´´ - legt mit unmissverständlicher Deutlichkeit dar, dass Beethoven bereits mit der C-dur-Messe op.86 (mehr als 10 Jahre vor der "Missa solemnis") die liturgische Form der Messvertonung und damit auch die eher dem 18. Jahrhundert zugehörige Form der fürstlichen Auftraggeber weit hinter sich gelassen und den Weg zu einer bekenntnishaften, allgemein ethisch-religiösen Ausdruckswelt auch in seiner Kirchenmusik eingeschlagen hatte."
Es darf nicht vergessen werden, dass Beethoven in den Jahren 1800-1802 durch Zeiten der Depression im Zusammenhang mit seiner zunehmenden Gehörschwäche gegangen war, dass er schließlich jedoch die Kraft fand, sich gegen sein schweres Schicksal zur Wehr zu setzen. Von 1803 an kann man vermehrt in seinem Werk Bezug zu seiner persönlichen Einstellung zum Leben feststellen. In seinem Oratorium "Christus am Ölberg" ( 1803) z. B. findet sich eindeutig eine Art Identifizierung der Leiden Christi mit Beethovens eigener Heimsuchung.
Auch die C-dur-Messe weist entsprechende Besonderheiten auf, die sie deutlich und grundlegend von früheren Messen trennt. So sah sich Prinz Esterházy aber in seinen Erwartungen enttäuscht und vergab keine weiteren Aufträge an Beethoven.
Die C-dur-Messe folgt der traditionellen Liturgie des Gottesdienstes. Schon der Anfang jedoch ist ungewöhnlich: nicht das Orchester beginnt, sondern allein die Männerstimmen setzen ein mit tiefem C: "Kyrie", ein Anrufen des Herrn, leise, mit großer Intensität. Das Orchester und die anderen Stimmen treten hinzu, das Rufen wird stärker, anfänglich zart, wiegend, schließlich immer fordernder: Herr, erbarme dich! Der Wechsel von fordernd Steigerndem und leisem Flehen ist von großer Dramatik, die sich in dem fast ekstatisch zu nennenden "Gloria" fortsetzt. Aber auch hier der dynamisch dialogische Kontrast, wenn mit "miserere nobis" Kummer und Angst eindringen. Beethoven verzichtet auf Arien, rundet einen jeden Satz in sich ab und vollendet die Form, indem die Schlusstakte des "Agnus Dei" den einleitenden Kyrie-Satz aufnehmen.


Der Konzertchor Gymnasium Blankenese
Der Konzertchor Blankenese setzt sich zusammen aus Schülern und Ehemaligen, Eltern und Lehrern. Von den 125 Mitgliedern sind mehr als die Hälfte Jugendliche. Es ist eine besondere Aufgabe und Freude, in einer so gemischten Gruppe wesentliche Werke der Chorliteratur zu erarbeiten. Die Musik ist nicht nur Inhalt des gemeinsamen Bemühens, sie verbindet auch die Sänger in ihrer Unterschiedlichkeit von Alter und Lebenserfahrung, von Erwartung und Zielen, und führt zu Verständnis und Akzeptanz des jeweils anderen. Die Mischung aus jungen und reifen Stimmen verleiht dem Chor seinen unverwechselbaren Klang. Neben verschiedenen Messen, die in ihrer Unterschiedlichkeit hohe Ansprüche an die stimmlichen und musikalischen Fähigkeiten der Sänger stellen, hat der Chor z. B. auch die Chichester Psalms von Leonard Bernstein, Händels Dominus Dixit, Poulencs Gloria und verschiedene weltliche Werke, wie z. B. Orffs Carmina burana aufgeführt. In Hamburg ist er außerhalb der Schule in der Marktkirche Blankenese aufgetreten, mehrmals im Michel und in Kirchen im Umland. Chor und Orchester sind auch in London (1990), Madrid (1995) auf Malta (1997, unter der Schirmherrschaft des Präsidenten von Malta) in Fiesole, Lucca und San Gimignano (2000) und in Potsdam aufgetreten. Der Chor ist zum zweiten Mal zu einer Konzertreise in die Toskana eingeladen worden. Er wird wieder im Mai im Dom von Florenz im Gottesdienst singen und wird in Kirchen von Florenz, Siena und San Gimignano die C-dur-Messe von Beethoven und Begleitstücke zu Gehör bringen.
Im Blankeneser Kammerorchester spielen Schüler und ehemalige Schüler zusammen mit Instrumentallehrern und anderen erfahrenen Instrumentalisten. Viele von ihnen sind Mitglieder des Haydn-Orchesters. Sie kommen gewöhnlich zusammen, um den Konzertchor zu begleiten. Ähnlich wie bei der Chorarbeit führt diese Mischung aus jungen und älteren Musikern zu einer besonders fruchtbaren Auseinandersetzung mit der Musik.

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A. Bruckner:
"Diese Stätte ist von Gott gemacht,
ein unergründliches Geheimnis, es ist kein Makel an ihr."
J. S. Bach:
"Wie Er geredet hat zu unseren Vätern, Abraham und seinem Samen ewiglich."
J. N. Hummel:
"Was auf Erden gefesselt ist, wird im Himmelsgewölbe befreit sein, ..."


B. Kreuzer